PHILOSOPHIE
Wen-Do ist ein körperliches und geistiges Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungs-Konzept, welches 1972 in Kanada von Kampfsportlerinnen begründet wurde. Wen-Do wurde von Frauen für Frauen und Mädchen entwickelt; nicht umsonst bedeutet Wen-Do «Weg der Frauen»!
Wen-Do eignet sich aber im Allgemeinen zur Ermächtigung von allen cis und trans Frauen, inter_, trans und nicht-binären Personen in ihren vielfältigen Auseinandersetzungen gegen das Patriarchat, sei es im Alltag wie auch in Extremsituationen.
Das Konzept basiert auf Freiwilligkeit, Vertraulichkeit und Selbstbestimmung. Das Besondere an Wen-Do ist: jede Person kann Wen-Do lernen, ganz unabhängig von Alter, Fähigkeiten oder Fitnesslevel. Wen-Do ist also kein Kampfsport, sondern setzt bei den individuellen Bedürfnissen und Stärken aller Kursteilnehmenden an.
Geschlechtsspezifische Gewalt und Rollenbilder
Wen-Do-Kurse sind auf spezifische Situationen ausgerichtet, welche Mädchen und Frauen, weiblich gelesene oder sozialisierte Personen in der Familie, in Beziehungen, in der Schule, am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit begegnen: von herabwürdigenden Sprüchen und ungewollten Annäherungsversuchen bis zu körperlichen Übergriffen und sexualisierter Gewalt. Hinzu kommt eine spezifisch weibliche Sozialisation, welche Personen nicht zur selbstbewussten Setzung von persönlichen Grenzen und aktiven Selbstverteidigung ermutigt, sondern eher zu Ohnmacht und passiver Hinnahme konditioniert.
Die Tatpersonen sind im Grossteil der Fälle männliche Bekannte der Betroffenen. Dies macht es umso schwieriger, die oft subtile Gewalt als solche zu erkennen und etwas dagegen zu unternehmen.
Obwohl geschlechterspezifische Gewalt ein weit verbreitetes gesellschaftliches Problem ist, gibt es nur wenig Räume, wo Rollenbilder und weibliche Gewalterfahrungen ehrlich und vertraulich besprochen werden können, und wo eine aktive Selbstbehauptung und -verteidigung geübt werden kann. Ein Wen-Do-Kurs, immer geleitet von und für Frauen, Mädchen und von patriarchaler Gewalt Betroffenen, schafft einen solchen Raum und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Teilnehmenden und somit zur Gewaltprävention.
Gewaltprävention und Sicherheit im Alltag
Zur erfolgreichen Prävention gehört eine aufmerksame und realistische Einschätzung von potentiell gefährlichen Situationen. Grenzüberschreitungen und Übergriffe so früh wie möglich zu erkennen hilft, sie verhindern zu können.
Dazu braucht es einerseits akkurate Informationen über Vorkommen und Häufigkeit von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Fakt ist: 80-90% aller Betroffenen erleben Gewalt durch bekannte oder verwandte Personen in ihrem Umfeld.
Die Gewaltbetroffenheit von nicht-binären, trans, agender und inter Personen* ist ebenfalls enorm hoch, hier erfolgen Übergriffe jedoch oft auch im öffentlichen Raum, durch Unbekannte.
Andererseits müssen wir uns wert sein, für uns einzustehen und uns zu wehren. Im Wen-Do-Kurs lernen die Teilnehmenden, sich selbst wertzuschätzen, auf ihre bereits vorhandene Kraft zu vertrauen und diese im Notfall richtig einzusetzen. In Gesprächen können eigene Ängste verarbeitet und Schlaghemmungen überwunden werden.
Die Teilnehmenden erlangen eine selbstbewusstere Ausstrahlung und können sich mit Worten und Taten behaupten.
Gewaltbetroffenheit und Unterstützung
Wen-Do Kurse werden oft von Teilnehmenden mit einschneidenden Gewalterfahrungen besucht.
Manchmal ist der Wen-Do-Kurs sogar der Ort, an dem die Teilnehmenden erstmals ihr Schweigen über die von ihnen erlebten Übergriffe brechen und über die damit verbundenen Gefühle wie Hilflosigkeit, Demütigung, Schuld und Scham sprechen können.
Im Kurs können Frauen, Mädchen, nicht-binäre, trans, agender und inter Personen ihre Erlebnisse verarbeiten, ihr Selbstwertgefühl stärken und Schritt für Schritt Strategien erlernen, wie sie ihre Grenzen durchsetzen können.
Die Teilnehmenden erweitern ihren Handlungsspielraum, erleben ihre individuelle wie kollektive Stärke und gewinnen in der positiven Kursatmosphäre neuen Mut.